Welche Schreibschrift lernt mein Kind?
Eine Übersicht über 4 Schreibschriftarten (und dem Tipp, welche davon besondere Stolpersteine mit sich bringt)
Wie? Verschiedene Schreibschriften? Tja, in Deutschland lernen nicht alle Schulkinder die gleiche Schreibschrift. In manchen Bundesländern ist eine bestimmte Schreibschrift vorgeschrieben, in anderen Bundesländern darf jede Schule selbst entscheiden, welche Schriftart die Kinder lernen.
In diesem Artikel zeige ich:
- die lateinische Ausgangsschrift
- die vereinfachte Ausgangsschrift
- die Schulausgangsschrift
- die Grundschrift.
Besonders eine davon kann Kindern große Probleme bereiten – ich erkläre, warum.
Die lateinische Ausgangsschrift
Diese Schreibschrift war ab 1953 in Deutschland an allen Schulen verpflichtend. Viele Eltern haben sie selbst in der Schule gelernt und kennen sie deshalb gut. Die lateinische ist die Ausgangsschrift mit den meisten Schnörkeln.
In mehreren Bundesländern haben Schulen die Wahl, ob sie die lateinische oder eine andere Ausgangsschrift benutzen (Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein).
Die Schulausgangsschrift
Diese Schrift wurde 1968 im damaligen Ostdeutschland eingeführt. Dabei wurden vor allem die Großbuchstaben stark vereinfacht. Sie haben viel weniger Schnörkel als die lateinische Ausgangsschrift und sehen fast aus wie Druckbuchstaben.
Die Schulausgangsschrift ist in einigen Bundesländern Pflicht, in anderen Bundesländern kann sie gewählt werden. (Pflicht in Berlin, dem Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt).
Schulausgangsschrift links, vereinfachte Ausgangsschrift rechts (besonders gut zu erkennen am s und t).
Lateinische Ausgansschrift links, Schulausgangsschrift rechts.
Die Grundschrift
Hinter der Grundschrift steckt ein neues Konzept: die Kinder lernen nur eine Druckschrift und sollen aus dieser heraus selbstständig eine eigene Handschrift entwickeln. Damit soll vermieden werden, dass Kinder erst Druckschrift lernen und dann noch einmal umlernen müssen, wenn die Schreibschrift eingeführt wird.
Das klingt zuerst vielleicht sinnvoll, für manche Kinder ist es aber einfach eine Überforderung, alleine herauszufinden, wie sie die Buchstaben miteinander verbinden können. Sie bleiben dann bei der Druckschrift und entwickeln gar keine schnelle, verbundene Handschrift.
Kinder, die die Grundschrift lernen, brauchen deshalb unbedingt Lehrer:innen, die ihnen mit Beispielen und Übungen helfen, von der Druckschrift zu einer sinnvollen Schreibschrift zu kommen.
Die vereinfachte Ausgangsschrift
Für diese Schrift wurden viele Buchstaben noch einmal vereinfacht, das Ziel war, das Schreiben so leicht wie möglich zu machen. Sämtliche Schnörkel fallen bei dieser Schreibschrift weg.
Der bedeutende Unterschied zu allen anderen Schreibschriften ist allerdings, dass alle Buchstaben an der oberen Mittellinie anfangen sollen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn er bringt viele Kinder in Schwierigkeiten!
Die anderen Schreibschriften orientieren sich an der Grundlinie, die kleinen Buchstaben fangen immer unten an (im Bild blau). Die vereinfachte Ausgangsschrift orientiert sich an der Mittellinie, die kleinen Buchstaben fangen oben an und sollen auch oben aufhören (im Bild grün).
Bis zur dritten Klasse haben die Kinder die obere Linie ja noch und können sich an ihr orientieren. Aber was ist dann? Sobald die Kinder nur noch auf einer Linie schreiben (meist ab der vierten Klasse), fällt die obere Mittellinie weg – die Kinder verlieren ihre Orientierungshilfe. Da jeder Buchstabe oben anfängt, muss das Kind sich dann irgendwie vorstellen, wo die Mittellinie sein könnte. Das ist nicht einfach und bei manchen Kindern wandern die Buchstaben deshalb immer weiter nach oben. Die Wörter werden schräg und sitzen dann nicht mehr auf der Grundlinie.
Zusätzlich sind manche Buchstaben der vereinfachten Ausgangsschrift schwierig miteinander zu verbinden. Sie werden nur dann ordentlich, wenn das Kind sauber und in Ruhe schreibt. Das ist zum Beispiel beim e der Fall. Aber auch das s und t werden bei schnellerem Schreiben oft unleserlich.
Die vereinfachte Ausgangsschrift ist wirklich nicht einfach: obwohl ich langsam geschrieben habe und mir echt Mühe gegeben habe, fliegt das e ein bisschen über der Linie. Wie das aussieht, wenn ein Kind sich beeilt?
Was tun, wenn das Kind tatsächlich Probleme mit der vereinfachten Ausgangsschrift hat? Wenn die Schrift schwer zu lesen ist oder nicht gerade auf der Linie bleibt? Für manche Kinder macht es dann tatsächlich Sinn, in der dritten oder vierten Klasse einzelne Buchstaben umzulernen. Meist sind es ja bestimmte Buchstaben, die besondere Schwierigkeiten machen: das e oder s zum Beispiel. Kaum ein Kind muss alle Buchstaben noch einmal neu lernen.
Möchten Sie wissen, wie Sie selbst mit Ihrem Kind üben können? Dann kommen Sie doch ins Elternseminar zum Handschrifttraining! Ich erkläre Ihnen, wie Sie Ihr Kind zu einer gut lesbaren Schrift begleiten können.
Eine Frage: wenn die Schule in der 2. Klasse in Bayern die Vereinfachte Ausgangsschrift „zwingend“ vorgibt, darf ich als Mutter selbst entscheiden, dass mein Kind die Schulausgangsschrift lernt? Danke für deine Antwort.
Hallo Anna, in Bayern haben die Schulen ja die Wahl zwischen der vereinfachten Ausgangsschrift und der Schulausgangsschrift. Wenn eure Schule sich nun für die vereinfachte entschieden hat, ist es wahrscheinlich schwierig, für dein Kind eine Ausnahme zu machen. Hast du schon mit den Lehrkräften gesprochen? Vielleicht hast du Glück und dein Kind hat sehr offene Lehrer, die einverstanden sind, dass du ein anderes Übungsheft besorgst? Viel Erfolg! Schreib doch mal eine Mail übers Kontaktformular, wie die Reaktion war!
Liebe Anna,
das kommt darauf an. Es gibt ein paar „Kniffe“, wie man trotz VA eine grundliniengebundene Handschrift lernt, aber das setzt eine gute Zusammenarbeit mit der Lehrperson voraus.
Ich begleite einige Eltern, die das so machen, also es ist grundsätzlich möglich. Selbst entscheiden als Mutter darfst Du das leider nicht. Es geht nur im Einverständnis der Klassenlehrperson.
Danke für die Übersicht. Ich werde auf diesen Blog einen Link von meiner Seite setzen.
Das Grundproblem der heutigen Lehre ist, dass die Kinder möglichst früh eigene Texte schreiben sollen. Das geht nur mit der Druckschrift. Eine verbundene Schrift zu erlernen, das kostet Zeit. Aber dieses Lernen der verbundenen Schrift ist mit vielem Abschreiben verbunden, und dabei lernt man intuitiv die Rechtschreibung. Die Rechtschreibung muss, weil dieses Lernen durch Erfahrung wegfällt, mit Regeln nachgelernt werden. Das hat zur Talfahrt der Rechtschreibung geführt.