LRS-Testberichte verstehen

Was bedeuten eigentlich IQ-Wert, Prozentrang und T-Wert?

Waren Sie mit Ihrem Kind beim Kinder- und Jugendlichenpsychiater, im SPZ oder einer anderen Stelle, um herauszufinden, ob Ihr Kind eine LRS oder Dyskalkulie hat? Dann haben Sie jetzt wahrscheinlich einen Bericht vor sich liegen. Diagramme, Zahlen, viele Fremdwörter. Um all das zu verstehen, wäre ein ausführliches Beratungsgespräch nötig. In Zeiten von Corona besteht das Rückmeldegespräch aber leider manchmal nur aus einem kurzen Telefonat oder es fällt sogar komplett aus. In diesem Artikel möchte ich Ihnen helfen, den Testbericht zu verstehen und die Zahlen einzuordnen.

Ein Hinweis vorab: denken Sie zuerst nach, wie es Ihrem Kind am Testtag ging. War Ihr Kind gesund, wach und satt? Dann können Sie von einem realistischen Ergebnis ausgehen. Fragen Sie Ihr Kind und die Untersucherin, ob es sich gut konzentrieren konnte. Wenn Ihr Kind unkonzentriert war, weil es müde oder kränklich war, dann können die Ergebnisse verfälscht sein.

Inhalt:
1. Intelligenztests
– Was testet ein IQ-Test überhaupt?
– Was bedeuten IQ-Werte?
– Mit wem wird mein Kind hier verglichen?
– Auf alle Einzelwerte schauen!

2. Lese-, Rechtschreib- und Rechentests
– Mit wem wird mein Kind hier verglichen?
– Was bedeuten Prozentrang und T-Wert?

Intelligenztests

Häufig verwendet werden WISC-V und K-ABC. Als Ergebnis erhält man IQ-Werte.

Was testet ein IQ-Test überhaupt?

Untersucht wird die Denkfähigkeit, dabei werden ganz verschiedene Bereiche angeschaut: das logische Schlussfolgern, die Verarbeitungsgeschwindigkeit, das Arbeitsgedächtnis (das könnte man salopp als Kurzzeitgedächtnis übersetzen), das Sprachverständnis und noch mehr. Lesen und Schreiben spielen bei diesen Tests keine Rolle, die sprachlichen Fähigkeiten aber sehr wohl!

Welche IQ-Werte sind altersgemäß?

Was bedeuten die IQ-Werte?

Für jeden einzelnen Bereich gibt es ein eigenes Ergebnis und außerdem erhält man einen Gesamt-IQ-Wert. Der Mittelwert liegt bei 100, durchschnittlich (=altersgemäß) sind IQ-Werte zwischen 85 und 115. Alles über 115 ist überdurchschnittlich, Werte unter 85 sind unterdurchschnittlich.

Mit wem wird mein Kind hier verglichen?

Bei Intelligenztests beziehen sich die Werte immer auf Kinder im gleichen Alter. Hier wird Ihr Kind also mit Kindern verglichen, die genauso alt sind wie es selbst. 

Auf alle Einzelwerte schauen!

Es lohnt sich, nicht nur den Gesamtwert anzuschauen, sondern auch die Einzelwerte genau anzusehen: sind alle Werte ungefähr ähnlich? Oder sticht einer heraus, nach oben oder unten? Woran könnte das liegen?

Beispiel: Bei Annas IQ-Test waren die Ergebnisse alle im Durchschnitt. Nur bei Aufgaben, bei denen genaues Hören gefragt war, hatte Anna Probleme. Hier wäre also wichtig, weiter nachzuforschen. Wurde ihr Gehör schon überprüft? Wenn nicht, könnte ein Termin in der Pädaudiologie weiter helfen.

So kann der IQ-Test helfen, Stärken und Schwächen eines Kindes herauszufinden. Das kann wichtige Hinweise für die weitere Förderung liefern. Gemeinsam mit der Untersucherin können Eltern überlegen: Welche Stärken und Schwächen sind im Test aufgefallen? Wie zeigen sie sich im Alltag? Wie könnte man die Stärken nutzen? Vielleicht kann das Kind mit ihnen seine Schwächen kompensieren und so das Lernen zu erleichtern. Wie kann man die Bereiche fördern, die noch Schwierigkeiten bereiten? Oder welche Hilfsmittel kann man anbieten, um diese Schwächen auszugleichen?

Ganz oft wird der IQ-Test ja nur gemacht, weil man ihn braucht, um eine LRS-Diagnose zu bekommen. Dafür ist nur wichtig, dass der Gesamt-IQ im Durchschnitt liegt. Ich finde allerdings, dass die Ergebnisse viel mehr hergeben! Nur kurz auf den Gesamtwert zu gucken ist viel zu wenig! Ein IQ-Test ist ja recht aufwändig und für das Kind anstrengend – deshalb sollte man die Ergebnisse auch nutzen! Sie können wirklich interessante Hinweise geben, wie ein Kind lernt und auf was man bei der Förderung achten sollte.

Lese-, Rechtschreib- und Rechentests

Es gibt viele verschiedene Tests, häufig verwendet werden.

für das Rechnen zum Beispiel:

  • DEMAT (Deutscher Mathematiktest)
  • HRT (Heidelberger Rechentest)
  • RZD 

für das Lesen und Rechtschreiben zum Beispiel:

  • ELFE II (Leseverständnistest)
  • SLRT II (Salzburger Lese- und Rechtschreibtest)
  • ZLT II (Zürcher Lesetest)
  • HSP (Hamburger Schreibprobe)
  • DRT (Diagnostischer Rechtschreibtest)
  • DERET (Deutscher Rechtschreibtest)

Mit wem wird mein Kind hier verglichen?

Diese Tests untersuchen die Schulleistungen, also das Lesen, Rechtschreiben und Rechnen. Hier geht es nicht nach Alter, sondern nach Schulklasse. Schließlich kann ein 7jähriger Erstklässler nicht automatisch mehr als ein 6jähriger Erstklässler. Deshalb wird das Kind hier mit Kindern der gleichen Klassenstufe verglichen.

Ausnahme: bei Lesetests muss man sich manchmal nach Schulbesuchsjahren richten. Das heißt, wenn ein Kind eine Klasse wiederholt hat, wird dieses Schuljahr mitgerechnet. Wieso? Man nimmt an, dass ein Kind mit jedem Jahr besser im Lesen wird, einfach, weil es mehr Übung bekommt.

Ein Beispiel: Tom hat die 3. Klasse wiederholt, er lernt also schon vier Jahre lang lesen (1. Klasse, 2. Klasse, 3. Klasse, nochmal 3. Klasse). Deshalb vergleicht man Tom im Lesetest dann mit Viertklässlern. Wenn Ihr Kind also schon eine Klasse wiederholt hat, fragen Sie im Rückmeldegespräch nach, welcher Maßstab angelegt wurde! Für die Untersucher sollte es kein Problem sein, beide Werte nachzugucken. So könnte man für Tom vielleicht sagen: „Im Vergleich mit anderen Viertklässlern ist seine Leistung im Lesen unterdurchschnittlich. Vergleicht man Tom aber mit Drittklässlern, sieht es gar nicht mehr so dramatisch aus, dann liegt er gerade noch im Durchschnittsbereich.“ Da Tom ja gerade in die 3. Klasse geht, ist das auf jeden Fall interessant zu wissen!

Was bedeuten der Prozentrang (PR) und der T-Wert?

Das Ergebnis der Lese-, Rechtschreib- und Rechentests wird mit einem T-Wert oder Prozentrang (Abkürzung PR) angegeben. Manchmal finden Sie im Bericht auch beide Werte.

T-Wert: hier reicht der durchschnittliche Bereich von 40 bis 60. Ein Ergebnis zwischen 40 und 60 heißt also, dass die Leistungen zur Klassenstufe passen. Ein T-Wert unter 40 ist unterdurchschnittlich. Werte über 60 sind überdurchschnittlich.

Prozentrang: der Durchschnittsbereich liegt zwischen 15,8 und 84,2.
Man kann den Prozentrang so verstehen: Ben, 2. Klasse, hat im Lesetest einen Prozentrang von 20 erreicht. Das heißt, dass 20% der Zweitklässler in diesem Test schlechter lesen als Ben erreichen, 80% lesen besser als er.

Prozentrang und T-Wert werden erklärt

Vorsicht bei der Interpretation

Nun haben Sie eine erste Orientierung, was die Zahlen im Testbericht Ihres Kindes bedeuten. Doch um die Werte genau zu verstehen, ist noch mehr wichtig. Ein T-Wert von 20 im Lesetest sagt Ihnen, dass irgendetwas beim Lesen Schwierigkeiten bereitet. Aber was genau? Wo liegen die Probleme? Um das noch genauer herauszufinden, muss man wissen, welche Fähigkeiten der durchgeführte Test prüft. Beim Lesen könnte es zum Beispiel die Lesegeschwindigkeit sein, aber auch die Genauigkeit oder das Leseverständnis. Wenn der Testbericht an dieser Stelle nicht genau genug ist, fragen Sie noch einmal nach. Es ist wirklich schwierig, all diese Zahlen und Werte einzuordnen – Sie sind ja die Eltern und keine Fachpersonen. Fragen Sie deshalb nach genauen Erklärungen. 

Benötigen Sie Hilfe, um den Testbericht Ihres Kindes zu verstehen?

Schreiben Sie mir eine Nachricht! Kurze Fragen beantworte ich gern per Mail.
Wir können aber auch ein persönliches Gespräch vereinbaren (online über Zoom), wenn Sie sich eine ausführliche Beratung wünschen. Dabei können wir in Ruhe über Ihre Fragen sprechen und gemeinsam überlegen, was Sie als nächstes unternehmen können, um Ihrem Kind zu helfen.