Handschrifttraining – wozu überhaupt?
Warum es Sinn macht, mit Kindern an ihrer Schrift zu arbeiten
Die meisten Kinder lernen in der ersten Klasse die Druckschrift und fast immer danach auch eine Schreibschrift. Bei Kindern, die die Schreibschrift schwierig finden, bestehen viele Lehrkräfte nicht darauf, sondern lassen das Kind in Druckschrift weiter schreiben. Spätestens in der weiterführenden Schule verabschieden sich sowieso viele Kinder von der gelernten Schreibschrift. Sie gehen zurück zur Druckschrift oder entwickeln ihre eigene Handschrift, meist eine Mischung aus Schreib- und Druckbuchstaben.
Wieso sollte man sich also die Mühe machen und ein Handschrifttraining anfangen?
Lohnt es sich überhaupt, die Handschrift zu verbessern?
In diesem Artikel beschreibe ich drei Ziele, die ich mit dem Handschrifttraining verfolge. Oder auch: dies sind drei Gründe, warum ich das Training in meiner Praxis anbiete.
1. Ziel: eine gut lesbare Schrift
Das ist wahrscheinlich das offensichtlichste Ziel. Die Handschrift soll schöner werden, so dass jeder sie lesen kann: die Lehrer:innen, die Eltern und das Kind selbst. Eine schlecht lesbare Schrift führt häufig zu Frust. Es kann passieren, dass das Kind seine eigenen Texte nicht entziffern kann und natürlich wird es ganz oft von den Erwachsenen aufgefordert, schöner zu schreiben. „Schreib doch langsamer!“ oder „Gib dir halt ein bisschen mehr Mühe!“ hören die Kinder nicht selten. Diese gut gemeinten Tipps helfen leider nicht, wenn das Kind gar nicht weiß, was es eigentlich ändern soll. Wahrscheinlich kostet das Schreiben sowieso schon viel Energie und so bringen die Aufforderungen nach mehr Konzentration und Mühe keine schönere Schrift, sondern eher Frust.
2. Ziel: ein zügiges Schreibtempo
Eine verbundene Schrift wie die Schreibschrift ist automatisch schneller als die Druckschrift. Nach jedem Buchstaben abzusetzen und wieder neu anzufangen führt zu einem langsameren Tempo. Das Ziel ist deshalb, viele Buchstaben miteinander zu verbinden und dadurch schneller zu werden. Auch Erwachsene, die teilweise wieder zu Druckbuchstaben zurück gehen, verbinden noch die Buchstaben, die besonders häufig vorkommen (zum Beispiel das e).
In den höheren Klassen wird immer mehr geschrieben und es wird von den Kindern ein gewisses Schreibtempo erwartet. Wer langsam schreibt, bekommt im Unterricht weniger mit, weil er länger mit dem Schreiben beschäftigt ist. Es macht also Sinn, in der weiterführenden Schule schnell schreiben zu können.
Auch interessant: durch das schnellere Schreiben wird der Schreibdruck geringer. Deshalb profitieren besonders die Kinder von der Schreibschrift, die sehr fest aufdrücken.
3. Ziel: Schreiben ohne Anstrengung
Fast alle Kinder, die in meine Praxis kommen, finden das Schreiben richtig mühsam. Ziel des Handschrifttrainings ist eine flüssige Schrift, die für das Kind nicht anstrengend ist. „Anstrengend“ bezieht sich einerseits auf die Hand, aber auch auf den Kopf.
Ist die Schrift noch nicht automatisiert, muss das Kind beim Schreiben viel nachdenken:
- Wie geht dieser Buchstabe?
- Wie gehört er in die Linien?
- Wie verbinde ich ihn mit dem nächsten Buchstaben?
Das Gehirn (das Arbeitsgedächtnis) ist dann beim Schreiben sehr mit diesen Fragen beschäftigt und hat deshalb weniger Kapazität für andere Überlegungen übrig. Das Kind kann weniger über die Rechtschreibung und den Inhalt nachdenken, vielleicht schreibt es auch einfach weniger Wörter.
Damit ein Kind sich auf die Rechtschreibung und den Inhalt konzentrieren kann, muss es die Schrift sicher beherrschen!
In der Schule haben viele Kinder aber nicht genug Zeit, um sich lange genug auf das Lernen der Schreibschrift zu konzentrieren. Das Schreibschrifttraining läuft oft nur nebenbei, der Fokus liegt in der Schule ab der ersten Klasse sehr schnell auf dem Inhalt und der Rechtschreibung: die Kinder schreiben eigene Texte und lernen Rechtschreibregeln. Das Schreibschriftheft sollen viele Kinder in der zweiten Klasse dann mehr oder weniger selbstständig durcharbeiten. Manche Kinder bräuchten aber mehr Anleitung und haben dann auch in der dritten oder vierten Klasse noch keine sichere und gut lesbare Handschrift entwickelt. Die Schrift sieht dann krakelig aus, das Schreiben kostet Anstrengung. Wenn die Erwachsenen das Kind dann auffordern, schöner zu schreiben, weiß es gar nicht, wie das eigentlich geht.
Für diese Kinder macht ein Handschrifttraining dann Sinn. Ja, dafür braucht es regelmäßige Übung, aber nicht ewig: übt ein Kind täglich 10 Minuten nach dem Plan, so sieht die Schrift nach 8-12 Wochen schon deutlich anders aus.
Und jetzt – was tun?
Wenn Sie denken, dass Ihr Kind noch keine gut lesbare und zügige Schrift entwickelt hat, dann fragen Sie sich jetzt vielleicht: „Was kann ich jetzt tun?“
Eine Möglichkeit ist es, eine:n Lerntherapeut:in zu suchen, die ein Handschrifttraining durchführt. Bei großen Problemen mit der Schreibmotorik ist auch eine Ergotherapie möglich, fragen Sie dazu Ihren Kinderarzt.
Die zweite Möglichkeit: Sie üben daheim selbst mit Ihrem Kind. Sie können das Handschrifttraining auch selbst mit Ihrem Kind durchführen. Wenn Sie sich zutrauen, 2-3 Monate regelmäßig zu üben, dann kommen Sie doch ins Elternseminar! An einem Abend lernen Sie, die Schrift Ihres Kindes selbst zu analysieren und ein Training strukturiert und planvoll zu beginnen.